Flügelaltar Scheiben

Jahr
2002
Ort
St. Georgen ob Judenburg
Auftraggeber
Bundesdenkmalamt
Auftrag
Restauratorische und konservatorische Maßnahmen
Team
Dr. Heidelinde Fell, Iris Gallhofer, Mag. Gundula Reiner u.a.
Spätgotischer Flügelalter in St. Johann in der Scheiben
bei St. Georgen ob Judenburg
Villacher Werkstätte um 1520
Holz gefasst; Schrein, Rahmung und Grundplatte der Reliefs aus Nadelholz; Reliefs, Skulpturen und Rankenwerk aus Lindenholz
Gesamthöhe Altaraufsatz 585 cm (ohne Mensa), B 280 cm (mit geöffneten Flügeln)

Ikonografische Beschreibung
Der Kirchenpatron, der Hl. Johannes der Täufer, nimmt den Mittelteil des Altarschreins ein, zu seinen Seiten stehen Petrus und Paulus. Szenen aus seinem Leben sind auf den vier Flügelreliefs dargestellt, die bei geöffnetem Altar erscheinen: die Heimsuchung, die Predigt des Täufers, die Taufe Jesu am Jordan und die Übergabe des abgeschlagenen Hauptes an Salome. Die Themen der nicht erhaltenen Flügelaußenseiten sind unbekannt, ebenso wie die Darstellung der ehemaligen Schreinwächter.
Die Reliefs der Flügelinnenseiten der Predella stellen die Heilige Katharina und die Hl. Maria Magdalena dar (letztere auch als Hl. Barbara bzw. als Maria Salome gedeutet). Das Thema des nicht mehr erhaltenen Predellareliefs ist unbekannt. Im Gesprenge befindet sich eine Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes flankiert von zwei Engeln. Der Schutzengel unterhalb des Gekreuzigten ist eine spätere Hinzufügung.

Kunsthistorische Zuschreibung
Der aufwendig gestaltete spätgotische Flügelaltar dürfte vom Stift St. Lambrecht in Auftrag gegeben und auch weitgehend finanziert worden sein. Die Pfarre Scheiben war seit dem Mittelalter und bis in die 70er Jahre des 20. Jhs. dem Stift St. Lambrecht inkorporiert. Unbestritten ist auch, dass der Flügelaltar wesentliche Merkmale der für und in St. Lambrecht tätigen Villacher Schnitzwerkstätte aufweist.

Die Schrein- und die Aufsatzfiguren dürften, von in St. Lambrecht tätig gewesenen Villacher Schnitzern stammen, möglicherweise von Caspar von Friesach. Tatsächlich ist die konstatierte Ähnlichkeit der beiden Scheibener Apostelfiguren Paulus und Petrus, zu jenen in der Stiftsammlung von St. Lambrecht auffallend, neu ist ein diesbezüglicher entstehungsgeschichtlicher Hinweis an den Standflächen der Figuren, der im Zuge der Restaurierung aufgetaucht ist: bei Petrus, Paulus und Johannes in Scheiben befindet sich ein charakteristischer Hinweis auf die Befestigung auf der Werkbank des Bildschnitzers – ein ca. 16 mm tiefer Abdruck von zwei rechteckigen Eisendornen, der sich auch an der Standfläche des Hl. Petrus im Stiftsmuseum St. Lambrecht fand. Es kann also darauf geschlossen werden, dass die Skulpturen auf ein und derselben Werkbank geschnitzt wurden.

Erhaltungszustand vor Restaurierung
  • Der Altar war extrem stark verschmutzt und durch Vogelkot verunreinigt.
  • Im Zuge einer länger zurückliegenden, unsachgemäßen Reinigung mit dem nassen Schwamm waren sämtliche glanzvergoldeten Partien stark verputzt.
  • Partielle (nicht sehr umfangreiche) Lockerungen von Grundier- und Farbschicht.
  • Der Altar weist die Fassung von 1871 auf, diese wurde vor längerer Zeit an einigen wenigen Stellen ausgebessert.
  • Zahlreiche mechanische Beschädigungen und abgestoßene Kanten.
  • Viele Fialen, Kreuzblumen, Krabben etc. sowie einige Attribute waren abgebrochen und fehlten.
  • Zahlreiche Teile waren in der Vergangenheit unsachgemäß mit Drahtstiften angenagelt oder improvisierend mit Draht o. dgl. montiert.

Ältere Restaurierungen
Im Zuge der Restaurierung zeigten sich die umfangreichen Veränderungen an dem Altar im Laufe der Jahrhunderte. Trotz dieser muss festgestellt werden, dass im Vergleich zu den anderen im Bereich des Stiftes St. Lambrecht erhaltenen gotischen Altäre der Villacher Werkstatt, jener von Scheiben insgesamt als der am vollständigsten erhaltene der Steiermark gelten kann.

Es scheint so, dass die Restaurierung 1707/1708 generell eine für diese Zeit sehr außergewöhnliche war. Denn nicht nur, dass im Unterschied zu fast allen steirischen Kirchen beschlossen wurde, den gotischen Flügelaltar als Hauptaltar in der Kirche bestehen zu lassen, sondern er wurde auch einer sehr teuren und aufwändigen Restaurierung unterzogen, bei der nicht versucht wurde, den Altar zu „barockisieren", sondern bei der das gotische Aussehen erhalten wurde. Die originale Fassung wurde zwar völlig abgenommen, deren Farbigkeit scheint jedoch tradiert worden zu sein und wahrscheinlich wurden sogar im gotischen Stil fehlende Teile ergänzt (der Gekreuzigte im Gesprenge). Dass diese Maßnahmen nicht unumstritten waren und dieser gotische Altar den Menschen in der Barockzeit nicht wirklich zu gefallen schien, geht aus einer Aufzeichnung des 18. Jhs. hervor, in der es heißt: der Hochaltar sei von altertümlicher Bauart und kaum elegant.

Eine wesentliche Veränderung erlitt der Altar durch die derzeit sichtbare, nicht sehr qualitätvolle Neufassung von 1871/72. Auch diese Fassung scheint im wesentlichen die ältere Fassung zu tradieren.

Restaurierkonzept
Auf Grund der nicht durchgehend erhaltener älteren Fassungen, wurde beschlossen die Letztfassung zu restaurieren und zu konservieren. In Zuge einer Besprechung während der Arbeiten am Altar wurde entschieden, auch sämtliche späteren Veränderungen im Aufbau des Altares zu belassen und lediglich zu dokumentieren.

Durchgeführte restauratorische und konservatorische Maßnahmen
Entsprechend den Vorgaben durch das Bundesdenkmalamt beinhaltete die Restaurierung folgende Arbeitsschritte:
  • Reinigung der Farbfassung.
  • Gleichzeitig erfolgte die Festigung instabiler Bereiche.
  • Lose Teile und Ableimungen wurden angeklebt und nach Bedarf mit Holzdübeln stabilisiert.
  • In der Vergangenheit mangelhaft mit Drahtstiften oder Draht befestigte Teilstücke wurden gelöst und die Steckverbindungen mit Holzstiften wiederhergestellt.

Dipl. Restauratorin



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