Bürgerbewegung gegen den fortschreitenden Identitätsverlust der Stadt im Dienste der Gewinnmaximierung von Investoren und Lobbyisten.
Als Unesco Welterbe, City of Design und Stadt der Menschenrechte soll historisches Erbe in und außerhalb der Altstadt in Würde erhalten und qualitätsvolles Neues erschaffen werden. Eine schöne Umgebung schafft Wohlbefinden und Glück für BewohnerInnen und BesucherInnen.
Unsere Forderungen sind:
Seit 1995 gehört die Altstadt von Neapel zum UNESCO-Weltkulturerbe. Doch jetzt haben 15 Bürgervereinigungen gemeinsam in einem Brief an die zuständige Kommission der Vereinten Nationen darum gebeten, Neapel von der Liste der Weltkulturerbestätten zu streichen.
„Die Anerkennung der UNESCO steht nur auf dem Papier. Die Stadt tut nichts, um ihre Schätze zu erhalten", heißt es in dem brisanten Schriftstück der enttäuschten BewohnerInnen, die sich selbst jahrelang vergeblich für eine Sanierung der größten historischen Altstadt Europas eingesetzt haben. Auch übe „die UNESCO keine ausreichenden Kontrollen aus", bemängelt Antonio Pariante, Leiter der Initiative Comitato Portosalvo, „und die Stadt verharrt weiter in Agonie. Deshalb wollten wir mit unserem Schreiben die Öffentlichkeit aufrütteln!"
Bürgermeister Luigi de Magistris, seit 2011 im Amt, reagiert gereizt: „Diese Provokation wirft ein schlechtes Licht auf Neapel, gerade jetzt, wo es mir gelungen ist, 100 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen und die Restaurierungsarbeiten im Sommer beginnen sollen." Doch viele Neapolitaner vertrauen der Politik längst nicht mehr. Zu oft schon wurden Gelder nicht genutzt und verschwanden, wie etwa die Millionen von Euro, die für die Restaurierung der barocken Kirche Santa Maria della Scorziata von der Region Kampanien schon dreimal zur Verfügung gestellt worden waren.
Zwar hat Neapel mit der Anerkennung als Weltkulturerbestätte auch die Verpflichtung übernommen, den Bestand des historischen Zentrums zu erhalten und aufzuwerten. Doch bis heute wurde von der Stadt kein überzeugender Erhaltungs- und Entwicklungsplan vorgelegt, obwohl die UNESCO dies angemahnt hat. Die allgemeine Verwahrlosung im Zentrum ist längst unübersehbar. Allein rund 200 Kirchen im Stadtkern, die zum Großteil dem Staat, der Kommune, aber auch Bruderschaften und der Diözese gehören, sind geschlossen, ausgeräubert, im Verfall begriffen. Einige sind hinter Baugerüsten versteckt, die vor vielen Jahren hochgezogen wurden und nun selbst baufällig geworden sind.
Im Inneren der Kirche Sant’Antonio alla Vicaria etwa türmt sich der Müll. In der majestätischen Barockkirche Santa Maria Vertecoeli fliegen Vögel durch Löcher im Dach. Die Altartische aus vielfarbigem Marmor wurden herausgestemmt und später auf einem Antiquitätenmarkt in Paris entdeckt. Man brachte sie nach Neapel zurück, wo sie im Depot verschwanden. Tausende andere bewegliche Kunstobjekte aus Neapels Kirchen, wie Kerzenhalter, Statuen, Kruzifixe und Gemälde werden auf dem internationalen Markt angeboten. Die unermüdlichen Carabinieri von der Spezialeinheit zum Schutz der Kulturgüter haben erst kürzlich wieder 95 Gemälde sichergestellt, die aus neapolitanischen Gotteshäusern stammen.
Auch Neapels berühmte, 1586 gegründete Biblioteca dei Girolamini ist vor Diebstahl nicht sicher. Das Institut, das rund 160 000 Bücher bewahrt, darunter Inkunabeln aus der Frühzeit des Buchdrucks, wurde vom eigenen Leiter bestohlen. Massimo Marino De Caro, 2011 von Kulturminister Giancarlo Galan auf Anraten des Berlusconi-Vertrauten und Senators Marcello Dell’Utri auf den Chefsessel der Bibliothek gehievt, gestand vor einigen Monaten, fast 4000 kostbare Bände entwendet und auf den antiquarischen Buchmarkt geliefert zu haben. Er hatte Helfer: Mittlerweile wird bereits gegen 17 Personen ermittelt und De Caro sitzt im Gefängnis Poggioreale.
Massimo Listri: „Churches of Naples"
Rund 200 Kirchen in Neapels Altstadt sind derzeit geschlossen und verfallen. In der Serie „Churches of Naples (Die Kirchen von Neapel)" dokumentiert Massimo Listri den desaströsen Zustand der Gotteshäuser. Der italienische Fotograf Listri ist für seine beeindruckenden Interior-Aufnahmen bekannt. Bei Di Meo erschien ein Kalender mit Fotografien aus der Kirchen-Serie.